ETHIK-LEITLINIEN DES C. G. Jung-Instituts München
Präambel
Die Psychoanalytiker, Psychotherapeuten, Supervisoren, Dozenten sowie Aus- und Weiterbildungsteilnehmer* des C. G. Jung-Instituts München verpflichten sich zum Schutz der Würde und Integrität ihrer Patienten/Analysanden sowie Aus- und Weiterbildungsteilnehmern und zur Sicherung ihrer professionellen Kompetenz auf Ethik-Leitlinien ihrer Berufstätigkeit. Ihre Haltung und ihr Verhalten gegenüber den Patienten/Analysanden, deren Angehörigen, in Fachgesellschaften und Berufsverbänden, im Rahmen von Wissenschaft und Lehre sowie in der sonstigen Öffentlichkeit berücksichtigt diese Grundsätze. Die ethischen Leitlinien sollten über die Zeit hinweg immer wieder neu reflektiert werden, um ggf. geeignete Anpassungen vornehmen zu können.
Für die psychoanalytische und psychotherapeutische Arbeit ist ein definierter Rahmen unverzichtbar. Dieser hat die persönliche und vertrauliche wechselseitige Bezogenheit von Therapeut/Analytiker und Patient/Analysand in ihrer schöpferischen Gestaltung des therapeutischen Behandlungsprozesses zu umreißen, zu sichern und zu schützen.
Persönliche Zuverlässigkeit und professionelle Disziplin der Therapeuten/ Analytiker sollen die Stabilität eines solchen Rahmens gewährleisten.
Der Vorstand des C. G. Jung-Instituts München sowie alle in ihren Ausschüssen und Gremien tätigen Kollegen tragen dafür Sorge, dass ihre ethischen Leitlinien und Grundsätze sowie die professionellen Standards psychotherapeutischer Tätigkeit hochgehalten werden.
Das C. G. Jung Institut München ist ein Aus- und Weiterbildungsinstitut und daher den Ethikleitlinien in besonderer Weise verpflichtet. Diese (Präambel, Ethische Grundsätze, Verfahren zur Behandlung fraglicher Verstöße) werden von der Mitgliederversammlung beschlossen und sind Bestandteil der Ausbildungsordnung des Instituts.
Aus Gründen sprachlicher Vereinfachung wird nur die männliche Form verwendet. Sie gilt gleichermaßen auch für Personen weiblichen Geschlechts.
Teil A
Ethische Grundsätze
1.
In der therapeutischen Beziehung entfalten sich intersubjektive Prozesse mit ihren bewussten und unbewussten Anteilen, deren Analyse zum Verstehen und Bearbeiten der inneren Welt der Patienten/Analysanden nutzbar gemacht werden. Haltung und Verhalten der Therapeuten/Analytiker müssen im Dienste dieser Prozesse stehen. Gerade der Umgang mit Regressions-, Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomenen in der therapeutischen Beziehung verlangt, dass der Therapeut/Analytiker die Grenzen des therapeutischen Raumes verlässlich herstellt und bewahrt. Insbesondere soll er die eigenen Gegenübertragungs-phänomene in regelmäßiger Selbsterfahrung konsequent bearbeiten. Seine Verantwortung hierfür gilt lebenslang und endet nicht mit der Beendigung der jeweiligen Arbeitsbeziehung.
2.
Er ist verpflichtet, den therapeutischen Prozess durch Abstinenz zu sichern. Daraus folgt, dass er niemals seine Autorität und professionelle Kompetenz missbräuchlich einsetzt (z.B. narzisstischer Missbrauch). Insbesondere nimmt er keine sexuelle Beziehung zu Patienten/Analysanden auf und unterhält außer der, für die Behandlung notwendige (Honorar) keine ökonomische Beziehung zu ihnen. Er achtet das Abstinenzgebot auch über die Beendigung der therapeutischen und analytischen Arbeitsbeziehung hinaus, mindestens über einen Zeitraum von 3 Jahren.
3.
Destruktive Äußerungen und/oder entsprechendes Handeln des Therapeuten/Analytikers schädigen den therapeutischen Prozess und sind zu vermeiden. Der Therapeut ist sich des Machtgefälles in jeder psychotherapeutischen Behandlung oder Ausbildung bewusst und geht damit konstruktiv um in Supervision, Intervision, Selbsterfahrung, Weiterbildung mit Selbsterfahrungscharakter.
4.
Der Therapeut/Analytiker hält sich über die rechtlichen Bedingungen seiner Berufstätigkeit informiert.
5.
Er beachtet die Informations- und Aufklärungspflicht gegenüber seinen Patienten/ Analysanden unter wissenschaftlich-psychoanalytischen Gesichtspunkten. Dies gilt insbesondere für die Indikationsstellung und den Behandlungskontrakt (Inhalt, Form, Zeit, Kosten, Dauer).
6.
Mitteilungen des Patienten/Analysanden behandelt er vertraulich, ggf. auch über dessen Tod hinaus. Bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Supervisionen und kollegialen Beratungen sind alle Daten so zu verfremden, dass eine Identifikation der betreffenden Person nicht möglich ist.
Bei evtl. eintretender Berufsunfähigkeit oder Tod des Therapeuten/ Analytikers gilt der vorsorgliche Datenschutz für alle Aufzeichnungen über Patienten/Analysanden sowie Lehr- und Kontrollanalysanden. Unterlagen, Disketten, Formulare, Aufzeichnungen sind sorgfältig unkenntlich zu machen.
7.
Ein Therapeut/Analytiker achtet darauf, seine psychische Gesundheit und Arbeitsfähigkeit zu erhalten.
8.
Er ist zu Fortbildung und Intervision, bei Bedarf zu Supervision und ggf. zu weiterer persönlicher Analyse bereit.
9.
Die Beziehung zwischen Ausbildern sowie Aus- und Weiterbildungsteilnehmern ist durch formale Vorgaben geregelt. Darüber hinaus finden auch hier Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse statt. Hier ist es die Aufgabe der Ausbilder, den Beziehungsraum zu schützen, in dem die Aus- und Weiterbildungsteilnehmer Erfahrungen mit sich selbst in der Beziehung zu ihren Patienten machen können. Sie brauchen dazu die Resonanz der Ausbilder für ihre jeweils eigene Art, Psychoanalyse zu verstehen und einen psychoanalytischen Prozess in Gang zu bringen, aber auch die offene und kritische Begleitung ihrer persönlichen und fachlichen Entwicklung. Insbesondere müssen sie davor geschützt sein, dass ihre durch die Ausbildungs-situation gegebene Abhängigkeit missbraucht wird.
Teil B
Verfahren zur Behandlung fraglicher Verstöße gegen die Ethik-Leitlinien
1. Geltungsbereich
1.1
Diese Ethikordnung gilt für alle Vereinsmitglieder des C. G. Jung Instituts München und für alle Aus- und Weiterbildungsteilnehmer des Ausbildungsinstituts. Sie gilt für fragliche Verstöße gegen die ethischen Berufspflichten im gesamten psychotherapeutischen und psychoanalytischen Handeln, d.h. auch für die Arbeit mit modifizierten oder anderen als analytisch begründeten Verfahren, z.B. Körpertherapie, Systemische Therapie, Verhaltenstherapie.
Diese Ordnung gilt demnach auch für Lehranalytiker gegenüber ihren Analysanden und für Dozenten und Supervisoren gegenüber ihren Aus- und Weiterbildungsteilnehmern und Kollegen.
1.2
Unter einem Verstoß gegen die ethischen Berufspflichten ist dabei ein Verhalten des Therapeuten/Analytikers/Dozenten zu verstehen, das unter Missachtung der oben genannten ethischen Grundsätze dem Patienten/ Analysanden, den Supervisanden oder den Aus- und Weiterbildungsteilnehmern und Kollegen Schaden zufügt und / oder ihn in einem Ausmaß belastet, welches das in Therapien/Analysen/Ausbildung Unvermeidbare erheblich übersteigt, oder das Institut oder den Berufstand der Therapeuten/Analytiker/Dozenten in Misskredit bringt.
2. Vertrauensleute, Ethikausschuss und Schiedskommission
2.1. Vertrauensleute:
Von der Mitgliederversammlung werden alle drei Jahre 2 –ordentliche- Vereinsmitglieder, je eine Frau und ein Mann, die keine leitenden Funktionen im Institut haben und auch nicht dem Ethikausschuss angehören, als Vertrauensleute gewählt. Sie sind Ansprechpartner für Patienten, Analysanden und Supervisanden, die wegen möglicher Grenzüberschreitungen im analytischen/therapeutischen Prozess in Bedrängnis geraten sind. Sie sind ebenfalls Ansprechpartner für ratsuchende Kollegen und Aus-und Weiterbildungsteilnehmer. Sie hören an, klären und fördern die Handlungsfähigkeit der Beschwerdeführer und Ratsuchenden. Es wird immer nur eine Vertrauensperson tätig. Teil A, Ziffer 6 gilt entsprechend.
Scheiden Vertrauensleute aus, so werden auf der nächsten Mitgliederversammlung Nachfolger gewählt.
2.2. Ethikausschuss:
Von der Mitgliederversammlung werden alle drei Jahre 8 Vereinsmitglieder für den Ethikausschuss gewählt, die nicht Mitglieder des Vorstandes sein sollen und den Ethikausschuss bilden. Das Geschlechterverhältnis soll ausgeglichen sein. Entscheidungen des Ethikausschusses müssen von mindestens 5 Mitgliedern getroffen werden.
Scheiden Mitglieder des Ethikausschusses aus, so werden auf der nächsten Mitgliederversammlung Nachfolger gewählt.
2.3. Schiedskommission:
Die Schiedskommission wird vom Ethikausschuss im Beschwerdefall gewählt. Die Schiedskommission besteht aus einem Vorsitzenden und 3 Beisitzern.
Für die Wahl müssen mindestens 5 Mitglieder des Ethikausschusses anwesend sein. Bei der Auswahl soll soweit wie möglich darauf geachtet werden, dass die Kommissionsmitglieder in Bezug auf die betroffenen Personen, insbesondere den Beschuldigten unbefangen sind. Der Vorsitzende muss die Befähigung zum Richteramt haben und langjährige Praxiserfahrung besitzen. Er darf kein Psychoanalytiker sein und muss nicht Mitglied des Vereins sein. Er erhält für seine Tätigkeit eine angemessene Aufwandsentschädigung vom C.G.Jung-Institut München.
Sowohl der Beschwerdeführer, wie auch der Beschuldigte können jeweils einmal pro Verfahren einen der ausgewählten Beisitzer ablehnen.
Die Schiedskommission trifft ihre Entscheidungen mit Stimmenmehrheit. Stimmenenthaltungen sind nicht zulässig. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Die Mehrheitsverhältnisse der Abstimmung unterliegen der Schweigepflicht.
3. Ethikverfahren
3.1. Beschwerde:
3.1.1. Ein Ethikverfahren wird dadurch in Gang gesetzt, dass jemand (im Folgenden Beschwerdeführer genannt) gegen ein Vereinsmitglied oder gegen einen Aus- oder Weiterbildungsteilnehmer (im Folgenden Beschuldigter genannt) den Vorwurf der Verletzung der ethischen Berufspflichten insbesondere als Therapeut / Analytiker / Supervisor gegenüber einem Patienten / Analysanden / Supervisanden (im Folgenden fraglich Geschädigter genannt) erhebt und sich mit diesem Vorwurf (im Folgenden Beschwerde genannt) in mündlicher oder schriftlicher Form an den Verein wendet.
Jedes Vereinsmitglied, das eine solche mündliche oder schriftliche Beschwerde erhält, ist verpflichtet, sie unverzüglich an ein Mitglied des Ethikausschusses weiterzuleiten und ansonsten über die Beschwerde striktes Schweigen zu bewahren. Das gilt nicht für Mitglieder des Vorstandes gegenüber ihren Vorstandskollegen, sofern der Beschwerdeführer damit einverstanden ist.
3.1.2. Das Mitglied des Ethikausschusses ruft unverzüglich den Ethikausschuss ein.
Dieser entscheidet, ob die Beschwerde der Schiedskommission übertragen wird
oder – bei offensichtlicher Unbegründetheit - verworfen wird. Verwirft der Ethikausschuss die Beschwerde, ist dies dem Beschwerdeführer schriftlich mitzuteilen. Legt der Beschwerdeführer Widerspruch ein, ist die Angelegenheit der Schiedskommission vorzulegen.
3.1.3. Verwerfung:
Die Schiedskommission kann einen Antrag auf Einleitung eines Verfahrens als unbegründet verwerfen, wenn die in ihr dargestellten Sachverhalte sich als unwahr erweisen oder wenn die im Antrag behaupteten Tatsachen - ihre Wahrheit vorausgesetzt - Sanktionen offensichtlich nicht rechtfertigen.
Die Zurückweisung bzw. Verwerfung teilt der Vorsitzende der Kommission dem Beschwerdeführer schriftlich in begründeter Form mit. Eine Anfechtung der Entscheidung ist nicht möglich.
3.1.4. Einstweilige Maßnahmen:
Bei einer besonders schwerwiegenden Beschwerde kann die Schiedskommission dem Vorstand empfehlen, den Beschuldigten einstweilen bis zur weiteren Klärung des Sachverhaltes von Vereins- oder Ausbildungsfunktionen zu entbinden. Die Schiedskommission und alle mit der Durchführung der einstweiligen Maßnahmen betrauten Personen sind in diesem Fall in dem dafür nötigen Umfang von der Schweigepflicht befreit.
Voraussetzung für ein solches Vorgehen ist, dass dem Beschuldigten mit konkreten Tatsachenangaben Gelegenheit zur Äußerung gegeben wird und der Beschuldigte sich innerhalb einer von der Kommission gesetzten Frist nicht äußert oder seine Äußerung den erhobenen Vorwurf nicht ausreichend entkräftet.
3.1.5. Wenn ein Beschwerdeführer seine Beschwerde zurückzieht und/ oder ein fraglich Geschädigter einer Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens ausdrücklich widerspricht, so entscheidet die Schiedskommission unter Abwägung der Interessen aller Beteiligten über das weitere Vorgehen. Das gilt auch für den Fall, dass der Geschädigte den Beschuldigten nicht von seiner ärztlichen bzw. psychologischen Schweigepflicht gegenüber der Ethikkommission entbindet. Fehlen die Voraussetzungen für eine faire Verteidigung, ist das Verfahren einzustellen.
3.1.6. Wenn eine Beschwerde gleichzeitig Gegenstand eines straf- oder kammerrechtlichen Verfahrens ist oder wird, so entscheidet die Schiedskommission unter Abwägung der Interessen aller Beteiligten darüber, ob die (weitere) Bearbeitung der Beschwerde bis zum Ende des zivil-, straf- oder kammerrechtlichen Verfahrens ausgesetzt werden soll.
3.1.7. Handelt es sich bei dem Beschuldigten um einen Aus- oder Weiterbildungsteilnehmer (gleich ob Vereinsmitglied oder nicht), so wird ein modifiziertes Verfahren durchgeführt, das unter Pkt. 5 näher beschrieben ist.
3.2. Vorverfahren
3.2.1. Die Schiedskommission unterrichtet den Beschuldigten von den wesentlichen Punkten der Beschwerde und fordert ihn zu einer schriftlichen Stellungnahme auf. Die Kommission erhebt zugleich die von ihm als nötig erachteten Beweismittel, wo immer möglich in schriftlicher Form. Mündliche Einvernahmen sind von mindestens zwei Kommissionsmitgliedern gemeinsam durchzuführen und schriftlich zu protokollieren. Dem fraglich Geschädigten kann auf Wunsch ein Beistand aus dem Kreis der Vereinsmitglieder zur Seite gestellt werden, der vorher mit ihm Kontakt aufnimmt und ihn bei der Einvernahme begleitet. Die Kommission sorgt für eine zügige Durchführung des Verfahrens.
3.2.2. Einstellung:
Kommt die Schiedskommission dabei zu der Überzeugung, dass die Beschwerde unbegründet ist, so beschließt sie die Einstellung des Verfahrens und teilt dies den Beteiligten in begründeter Form mit. Wenn der Beschuldigte dies wünscht, werden die Vereinsmitglieder von der Einstellung unterrichtet.
3.2.3. Nimmt der Beschuldigte trotz angemessener Fristsetzung zu der Beschwerde nicht Stellung, so beantragt die Kommission den Vereinsausschluss. Das weitere Verfahren richtet sich nach Ziff. 4.1.
3.2.4. Entzieht sich der Beschuldigte dem Ethikverfahren durch Vereinsaustritt, so sind die Mitglieder sowohl vom Austritt (mit Namensnennung) als auch von der Tatsache zu unterrichten, dass gegen den Betreffenden ein durch den Austritt beendetes Ethikverfahren im Gange war.
3.3. Mündliche Verhandlung
3.3.1. In anderen als den in Ziff. 3.2.2, 3.2.3 und 3.2.4 genannten Fällen wird eine mündliche Anhörung des Beschuldigten vor der Schiedskommission durchgeführt. Dem Beschuldigten werden zur Vorbereitung Kopien der Beweismittel überstellt und eine ausreichende Vorbereitungsfrist eingeräumt.
3.3.2. Vertrauensperson:
Der Beschuldigte ist berechtigt (aber nicht verpflichtet), ein Vereinsmitglied seines Vertrauens zu benennen und sich von diesem bei der mündlichen Verhandlung begleiten zu lassen.
Die Vertrauensperson ist bei der mündlichen Verhandlung und bei allen folgenden Kommissionssitzungen als Teilnehmer zugelassen. Sie hat dort volles Rede-, aber kein Stimmrecht.
3.3.3. Die Verhandlung ist nicht öffentlich.
3.3.4. Erscheint der Beschuldigte trotz ausreichender Fristsetzung unentschuldigt nicht zur Verhandlung, so beantragt die Kommission den Vereinsausschluss . Das weitere Verfahren richtet sich nach Ziff. 4.1.
3.3.5. Ist die Schiedskommission nach Abschluss der Verhandlung überzeugt, dass die Beschwerde unbegründet ist, findet Ziff. 3.2.2 Anwendung.
3.3.5.1. Nachbeweiserhebung:
Kommt die Schiedskommission zu der Überzeugung, dass die Erhebung weiterer Beweismittel zu einer verlässlichen Sachverhaltseinschätzung unumgänglich ist, so ist die Wiederaufnahme des Vorverfahrens mit anschließender erneuter mündlicher Verhandlung zulässig. Im Interesse einer zügigen Verfahrensabwicklung darf die Kommission von dieser "Nachbeweiserhebung" im Rahmen eines Ethikverfahrens nur einmal Gebrauch machen. Der Wiedereintritt ins Vorverfahren muss spätestens zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung von der Ethikkommission beschlossen und dem Beschuldigten unverzüglich mit Begründung mitgeteilt werden.
3.3.5.2. Auch der Beschuldigte hat das Recht, innerhalb von zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung (nach Ziff. 3.3.1 und/oder 3.3.5) unter Vorlage neuer Beweismittel eine erneute mündliche Verhandlung zu verlangen. Dieses Gesuch kann die Schiedskommission dann zurückweisen, wenn die neuen Beweismittel offensichtlich unerheblich sind.
3.3.5.3. Die in den Ziffern 3.3.5.1. und 3.3.5.2. genannte Frist kann von der Kommission verlängert werden, wenn schwerwiegende Gründe dafür vorliegen.
3.3.6. Einvernehmliche Lösung:
Wenn die mündliche Verhandlung und ggf. die Nachverhandlung(en) nach Ziff. 3.3.5.1 und/oder Ziff. 3.3.5.2 beendet sind, und keiner der Fälle nach Ziff. 3.3.4 und 3.3.5 vorliegt, so trifft sich die Schiedskommission nach frühestens drei Wochen erneut zur Beratung. Danach beschließt die Kommission im Einvernehmen mit dem Beschuldigten geeignete Auflagen, die (soweit möglich) der Wiedergutmachung des angerichteten Schadens, dem Schutz weiterer Patienten/Analysanden und der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Beschuldigten dienen sollen.
3.3.6.1. Bestandteil der einvernehmlichen Lösung ist darüber hinaus die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Mitgliederversammlung über das Ergebnis informiert werden soll.
3.3.6.2. Mögliche Auflagen sind:
Verwarnung; Wiedergutmachung gegenüber dem Geschädigten (z. B. Entschuldigung und/oder klärende Aussprache in Gegenwart eines moderierenden Dritten und/oder materieller Schadensersatz); eine Supervisionsauflage; eine erneute Lehranalyse; die Enthebung von Ämtern, Lehr- und Ausbildungsfunktionen; das Ruhen der Mitgliedschaft. Es können mehrere Maßnahmen zugleich vereinbart werden.
3.3.7. Kommt eine einvernehmliche Lösung nicht zustande oder verbietet sie sich wegen der Schwere der Verfehlung, so legt die Schiedskommission die Angelegenheit der Mitgliederversammlung zur Entscheidung vor, indem sie dort die ihr notwendig erscheinende(n) Auflage(n) oder gegebenenfalls den Vereinsausschluss beantragt. Die möglichen Auflagen sind in Ziff. 3.3.7.2. genannt.
3.3.7.1. Einhaltung der Auflagen:
Werden einvernehmliche Auflagen vereinbart, so wacht die Schiedskommission über deren Einhaltung.
Wenn der Beschuldigte trotz schriftlicher Mahnung deutlich gegen die vereinbarten Auflagen verstößt, so beantragt die Kommission den Vereinsausschluss nach Ziff. 4.1.
3.3.7.2. Tritt der Beschuldigte aus dem Verein aus, noch ehe die Auflagen im Wesentlichen erfüllt sind, so sind die Mitglieder vom Vereinsaustritt (mit Namensnennung), der Tatsache, dass ein Ethikverfahren stattgefunden hat (mit knapper Darstellung des Ergebnisses) und der Nichterfüllung der Auflagen zu unterrichten, und zwar auch dann, wenn auf eine Unterrichtung der Mitglieder zunächst einvernehmlich verzichtet worden ist (s. Ziff. 3.2.4).
4. Entscheidung durch die Mitgliederversammlung
4.1. Beantragt die Schiedskommission die Entscheidung durch die Mitgliederversammlung (insbes. auch den Vereinsausschluss), so ist der Antrag in der Tagesordnung der Mitgliederversammlung mit Namensnennung anzukündigen. Die Gründe für den Antrag sind von der Kommission schriftlich zusammenzufassen und den Mitgliedern auf der Versammlung auszuhändigen.
4.2. Die Mitglieder haben sämtliche Informationen vertraulich zu behandeln. Kommt es zu einem Vereinsausschluss des Beschuldigten, sind die Mitglieder hinsichtlich der Mitteilung des Namens des Beschuldigten, der Tatsache des Ausschlusses und der offiziellen Ausschlussgründe von der Schweigepflicht befreit. Beschließt die Mitgliederversammlung andere Auflagen, so sind der Name des Beschuldigten, die Auflagen und die Gründe dafür nur dann von der Schweigepflicht befreit, wenn dies im Beschluss ausdrücklich festgelegt wird.
5. Schweigepflicht
Sämtliche Beteiligten (außer dem Beschuldigten) unterliegen bezüglich des gesamten Verfahrens ( Namen, Tatsachen, Äußerungen, Abstimmungsergebnisse) der Schweigepflicht. Die Schweigepflicht ist nur da aufgehoben, wo im Text ausdrücklich vermerkt.
Von der Schweigepflicht ausgenommen ist der Vorstand bezüglich der Tatsachen, die auf Grund besonderer Umstände übergeordneten Institutionen (Staatsanwaltschaft, Kammer, DGAP, DGPT) mitzuteilen sind.
6. Aus- und Weiterbildungsteilnehmer:
6.1. Ist der Beschuldigte Aus-oder Weiterbildungsteilnehmer, so gelten die Ziffern 1 bis 3 mit allen Unterpunkten entsprechend, wobei sich etwaige einstweilige Maßnahmen (s. Ziff. 3.1.4) und einvernehmlich vereinbarte Auflagen (s. Ziff. 3.3.7) auch auf den Status als Aus- bzw. Weiterbildungsteilnehmer beziehen können.
6.1.1. Die für die Aus- bzw. Weiterbildung verantwortlichen Vorstandsmitglieder und die nach der Ausbildungsordnung zuständigen Gremien (z.B. Ausbildungs- bzw. Ambulanzleiter, APA) werden sowohl über etwaige einstweilige Maßnahmen (s. Ziff. 3.1.4) als auch in jedem Fall über das Endergebnis des Ethikverfahrens informiert.
In sehr schwerwiegenden Fällen (z.B. bei Gefährdung der Ausbildung oder wenn Ausbildungsfälle betroffen sind) sollte das Vorgehen in Zusammenarbeit mit den laut Ausbildungsordnung zuständigen Gremien erfolgen, wobei die Eigenständigkeit der Schiedskommission – auch zum Schutz des Beschuldigten – so weit wie möglich erhalten bleiben sollte.
6.1.2. Tritt der beschuldigte Weiterbildungsteilnehmer aus der Ausbildung aus, ohne die Auflagen erfüllt zu haben, entscheidet der Vorstand in Absprache mit der Schiedskommission über weiteres Vorgehen (z.B. Unterrichtung von Kammer, KV, Mitgliederversammlung etc.).
6.1.3. Schlägt die Schiedskommission die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses vor, ist der Vorstand nach Prüfung der Sachlage für die Abwicklung der Beendigung des Vertrages zuständig. Sollte sich der Vorstand dem Vorschlag der Kommission nicht anschließen, kann die Schiedskommission diese Frage der Mitgliederversammlung zur Entscheidung vorlegen.
6.2. Ist der Beschuldigte Aus- oder Weiterbildungsteilnehmer außerordentliches Vereinsmitglied des C. G. Jung-Institutes München, so kommt über die Ziffer 5. hinaus auch die Ziffer 4 mit allen Unterpunkten zur Anwendung.
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Die Psychoanalytiker, Psychotherapeuten, Supervisoren, Dozenten sowie Aus- und Weiterbildungsteilnehmer* des C. G. Jung-Instituts München verpflichten sich zum Schutz der Würde und Integrität ihrer Patienten/Analysanden sowie Aus- und Weiterbildungsteilnehmern und zur Sicherung ihrer professionellen Kompetenz auf Ethik-Leitlinien ihrer Berufstätigkeit. Ihre Haltung und ihr Verhalten gegenüber den Patienten/Analysanden, deren Angehörigen, in Fachgesellschaften und Berufsverbänden, im Rahmen von Wissenschaft und Lehre sowie in der sonstigen Öffentlichkeit berücksichtigt diese Grundsätze. Die ethischen Leitlinien sollten über die Zeit hinweg immer wieder neu reflektiert werden, um ggf. geeignete Anpassungen vornehmen zu können.
Für die psychoanalytische und psychotherapeutische Arbeit ist ein definierter Rahmen unverzichtbar. Dieser hat die persönliche und vertrauliche wechselseitige Bezogenheit von Therapeut/Analytiker und Patient/Analysand in ihrer schöpferischen Gestaltung des therapeutischen Behandlungsprozesses zu umreißen, zu sichern und zu schützen.
Persönliche Zuverlässigkeit und professionelle Disziplin der Therapeuten/ Analytiker sollen die Stabilität eines solchen Rahmens gewährleisten.
Der Vorstand des C. G. Jung-Instituts München sowie alle in ihren Ausschüssen und Gremien tätigen Kollegen tragen dafür Sorge, dass ihre ethischen Leitlinien und Grundsätze sowie die professionellen Standards psychotherapeutischer Tätigkeit hochgehalten werden.
Das C. G. Jung Institut München ist ein Aus- und Weiterbildungsinstitut und daher den Ethikleitlinien in besonderer Weise verpflichtet. Diese (Präambel, Ethische Grundsätze, Verfahren zur Behandlung fraglicher Verstöße) werden von der Mitgliederversammlung beschlossen und sind Bestandteil der Ausbildungsordnung des Instituts.
Aus Gründen sprachlicher Vereinfachung wird nur die männliche Form verwendet. Sie gilt gleichermaßen auch für Personen weiblichen Geschlechts.
Teil A
Ethische Grundsätze
1.
In der therapeutischen Beziehung entfalten sich intersubjektive Prozesse mit ihren bewussten und unbewussten Anteilen, deren Analyse zum Verstehen und Bearbeiten der inneren Welt der Patienten/Analysanden nutzbar gemacht werden. Haltung und Verhalten der Therapeuten/Analytiker müssen im Dienste dieser Prozesse stehen. Gerade der Umgang mit Regressions-, Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomenen in der therapeutischen Beziehung verlangt, dass der Therapeut/Analytiker die Grenzen des therapeutischen Raumes verlässlich herstellt und bewahrt. Insbesondere soll er die eigenen Gegenübertragungs-phänomene in regelmäßiger Selbsterfahrung konsequent bearbeiten. Seine Verantwortung hierfür gilt lebenslang und endet nicht mit der Beendigung der jeweiligen Arbeitsbeziehung.
2.
Er ist verpflichtet, den therapeutischen Prozess durch Abstinenz zu sichern. Daraus folgt, dass er niemals seine Autorität und professionelle Kompetenz missbräuchlich einsetzt (z.B. narzisstischer Missbrauch). Insbesondere nimmt er keine sexuelle Beziehung zu Patienten/Analysanden auf und unterhält außer der, für die Behandlung notwendige (Honorar) keine ökonomische Beziehung zu ihnen. Er achtet das Abstinenzgebot auch über die Beendigung der therapeutischen und analytischen Arbeitsbeziehung hinaus, mindestens über einen Zeitraum von 3 Jahren.
3.
Destruktive Äußerungen und/oder entsprechendes Handeln des Therapeuten/Analytikers schädigen den therapeutischen Prozess und sind zu vermeiden. Der Therapeut ist sich des Machtgefälles in jeder psychotherapeutischen Behandlung oder Ausbildung bewusst und geht damit konstruktiv um in Supervision, Intervision, Selbsterfahrung, Weiterbildung mit Selbsterfahrungscharakter.
4.
Der Therapeut/Analytiker hält sich über die rechtlichen Bedingungen seiner Berufstätigkeit informiert.
5.
Er beachtet die Informations- und Aufklärungspflicht gegenüber seinen Patienten/ Analysanden unter wissenschaftlich-psychoanalytischen Gesichtspunkten. Dies gilt insbesondere für die Indikationsstellung und den Behandlungskontrakt (Inhalt, Form, Zeit, Kosten, Dauer).
6.
Mitteilungen des Patienten/Analysanden behandelt er vertraulich, ggf. auch über dessen Tod hinaus. Bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Supervisionen und kollegialen Beratungen sind alle Daten so zu verfremden, dass eine Identifikation der betreffenden Person nicht möglich ist.
Bei evtl. eintretender Berufsunfähigkeit oder Tod des Therapeuten/ Analytikers gilt der vorsorgliche Datenschutz für alle Aufzeichnungen über Patienten/Analysanden sowie Lehr- und Kontrollanalysanden. Unterlagen, Disketten, Formulare, Aufzeichnungen sind sorgfältig unkenntlich zu machen.
7.
Ein Therapeut/Analytiker achtet darauf, seine psychische Gesundheit und Arbeitsfähigkeit zu erhalten.
8.
Er ist zu Fortbildung und Intervision, bei Bedarf zu Supervision und ggf. zu weiterer persönlicher Analyse bereit.
9.
Die Beziehung zwischen Ausbildern sowie Aus- und Weiterbildungsteilnehmern ist durch formale Vorgaben geregelt. Darüber hinaus finden auch hier Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse statt. Hier ist es die Aufgabe der Ausbilder, den Beziehungsraum zu schützen, in dem die Aus- und Weiterbildungsteilnehmer Erfahrungen mit sich selbst in der Beziehung zu ihren Patienten machen können. Sie brauchen dazu die Resonanz der Ausbilder für ihre jeweils eigene Art, Psychoanalyse zu verstehen und einen psychoanalytischen Prozess in Gang zu bringen, aber auch die offene und kritische Begleitung ihrer persönlichen und fachlichen Entwicklung. Insbesondere müssen sie davor geschützt sein, dass ihre durch die Ausbildungs-situation gegebene Abhängigkeit missbraucht wird.
Teil B
Verfahren zur Behandlung fraglicher Verstöße gegen die Ethik-Leitlinien
1. Geltungsbereich
1.1
Diese Ethikordnung gilt für alle Vereinsmitglieder des C. G. Jung Instituts München und für alle Aus- und Weiterbildungsteilnehmer des Ausbildungsinstituts. Sie gilt für fragliche Verstöße gegen die ethischen Berufspflichten im gesamten psychotherapeutischen und psychoanalytischen Handeln, d.h. auch für die Arbeit mit modifizierten oder anderen als analytisch begründeten Verfahren, z.B. Körpertherapie, Systemische Therapie, Verhaltenstherapie.
Diese Ordnung gilt demnach auch für Lehranalytiker gegenüber ihren Analysanden und für Dozenten und Supervisoren gegenüber ihren Aus- und Weiterbildungsteilnehmern und Kollegen.
1.2
Unter einem Verstoß gegen die ethischen Berufspflichten ist dabei ein Verhalten des Therapeuten/Analytikers/Dozenten zu verstehen, das unter Missachtung der oben genannten ethischen Grundsätze dem Patienten/ Analysanden, den Supervisanden oder den Aus- und Weiterbildungsteilnehmern und Kollegen Schaden zufügt und / oder ihn in einem Ausmaß belastet, welches das in Therapien/Analysen/Ausbildung Unvermeidbare erheblich übersteigt, oder das Institut oder den Berufstand der Therapeuten/Analytiker/Dozenten in Misskredit bringt.
2. Vertrauensleute, Ethikausschuss und Schiedskommission
2.1. Vertrauensleute:
Von der Mitgliederversammlung werden alle drei Jahre 2 –ordentliche- Vereinsmitglieder, je eine Frau und ein Mann, die keine leitenden Funktionen im Institut haben und auch nicht dem Ethikausschuss angehören, als Vertrauensleute gewählt. Sie sind Ansprechpartner für Patienten, Analysanden und Supervisanden, die wegen möglicher Grenzüberschreitungen im analytischen/therapeutischen Prozess in Bedrängnis geraten sind. Sie sind ebenfalls Ansprechpartner für ratsuchende Kollegen und Aus-und Weiterbildungsteilnehmer. Sie hören an, klären und fördern die Handlungsfähigkeit der Beschwerdeführer und Ratsuchenden. Es wird immer nur eine Vertrauensperson tätig. Teil A, Ziffer 6 gilt entsprechend.
Scheiden Vertrauensleute aus, so werden auf der nächsten Mitgliederversammlung Nachfolger gewählt.
2.2. Ethikausschuss:
Von der Mitgliederversammlung werden alle drei Jahre 8 Vereinsmitglieder für den Ethikausschuss gewählt, die nicht Mitglieder des Vorstandes sein sollen und den Ethikausschuss bilden. Das Geschlechterverhältnis soll ausgeglichen sein. Entscheidungen des Ethikausschusses müssen von mindestens 5 Mitgliedern getroffen werden.
Scheiden Mitglieder des Ethikausschusses aus, so werden auf der nächsten Mitgliederversammlung Nachfolger gewählt.
2.3. Schiedskommission:
Die Schiedskommission wird vom Ethikausschuss im Beschwerdefall gewählt. Die Schiedskommission besteht aus einem Vorsitzenden und 3 Beisitzern.
Für die Wahl müssen mindestens 5 Mitglieder des Ethikausschusses anwesend sein. Bei der Auswahl soll soweit wie möglich darauf geachtet werden, dass die Kommissionsmitglieder in Bezug auf die betroffenen Personen, insbesondere den Beschuldigten unbefangen sind. Der Vorsitzende muss die Befähigung zum Richteramt haben und langjährige Praxiserfahrung besitzen. Er darf kein Psychoanalytiker sein und muss nicht Mitglied des Vereins sein. Er erhält für seine Tätigkeit eine angemessene Aufwandsentschädigung vom C.G.Jung-Institut München.
Sowohl der Beschwerdeführer, wie auch der Beschuldigte können jeweils einmal pro Verfahren einen der ausgewählten Beisitzer ablehnen.
Die Schiedskommission trifft ihre Entscheidungen mit Stimmenmehrheit. Stimmenenthaltungen sind nicht zulässig. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Die Mehrheitsverhältnisse der Abstimmung unterliegen der Schweigepflicht.
3. Ethikverfahren
3.1. Beschwerde:
3.1.1. Ein Ethikverfahren wird dadurch in Gang gesetzt, dass jemand (im Folgenden Beschwerdeführer genannt) gegen ein Vereinsmitglied oder gegen einen Aus- oder Weiterbildungsteilnehmer (im Folgenden Beschuldigter genannt) den Vorwurf der Verletzung der ethischen Berufspflichten insbesondere als Therapeut / Analytiker / Supervisor gegenüber einem Patienten / Analysanden / Supervisanden (im Folgenden fraglich Geschädigter genannt) erhebt und sich mit diesem Vorwurf (im Folgenden Beschwerde genannt) in mündlicher oder schriftlicher Form an den Verein wendet.
Jedes Vereinsmitglied, das eine solche mündliche oder schriftliche Beschwerde erhält, ist verpflichtet, sie unverzüglich an ein Mitglied des Ethikausschusses weiterzuleiten und ansonsten über die Beschwerde striktes Schweigen zu bewahren. Das gilt nicht für Mitglieder des Vorstandes gegenüber ihren Vorstandskollegen, sofern der Beschwerdeführer damit einverstanden ist.
3.1.2. Das Mitglied des Ethikausschusses ruft unverzüglich den Ethikausschuss ein.
Dieser entscheidet, ob die Beschwerde der Schiedskommission übertragen wird
oder – bei offensichtlicher Unbegründetheit - verworfen wird. Verwirft der Ethikausschuss die Beschwerde, ist dies dem Beschwerdeführer schriftlich mitzuteilen. Legt der Beschwerdeführer Widerspruch ein, ist die Angelegenheit der Schiedskommission vorzulegen.
3.1.3. Verwerfung:
Die Schiedskommission kann einen Antrag auf Einleitung eines Verfahrens als unbegründet verwerfen, wenn die in ihr dargestellten Sachverhalte sich als unwahr erweisen oder wenn die im Antrag behaupteten Tatsachen - ihre Wahrheit vorausgesetzt - Sanktionen offensichtlich nicht rechtfertigen.
Die Zurückweisung bzw. Verwerfung teilt der Vorsitzende der Kommission dem Beschwerdeführer schriftlich in begründeter Form mit. Eine Anfechtung der Entscheidung ist nicht möglich.
3.1.4. Einstweilige Maßnahmen:
Bei einer besonders schwerwiegenden Beschwerde kann die Schiedskommission dem Vorstand empfehlen, den Beschuldigten einstweilen bis zur weiteren Klärung des Sachverhaltes von Vereins- oder Ausbildungsfunktionen zu entbinden. Die Schiedskommission und alle mit der Durchführung der einstweiligen Maßnahmen betrauten Personen sind in diesem Fall in dem dafür nötigen Umfang von der Schweigepflicht befreit.
Voraussetzung für ein solches Vorgehen ist, dass dem Beschuldigten mit konkreten Tatsachenangaben Gelegenheit zur Äußerung gegeben wird und der Beschuldigte sich innerhalb einer von der Kommission gesetzten Frist nicht äußert oder seine Äußerung den erhobenen Vorwurf nicht ausreichend entkräftet.
3.1.5. Wenn ein Beschwerdeführer seine Beschwerde zurückzieht und/ oder ein fraglich Geschädigter einer Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens ausdrücklich widerspricht, so entscheidet die Schiedskommission unter Abwägung der Interessen aller Beteiligten über das weitere Vorgehen. Das gilt auch für den Fall, dass der Geschädigte den Beschuldigten nicht von seiner ärztlichen bzw. psychologischen Schweigepflicht gegenüber der Ethikkommission entbindet. Fehlen die Voraussetzungen für eine faire Verteidigung, ist das Verfahren einzustellen.
3.1.6. Wenn eine Beschwerde gleichzeitig Gegenstand eines straf- oder kammerrechtlichen Verfahrens ist oder wird, so entscheidet die Schiedskommission unter Abwägung der Interessen aller Beteiligten darüber, ob die (weitere) Bearbeitung der Beschwerde bis zum Ende des zivil-, straf- oder kammerrechtlichen Verfahrens ausgesetzt werden soll.
3.1.7. Handelt es sich bei dem Beschuldigten um einen Aus- oder Weiterbildungsteilnehmer (gleich ob Vereinsmitglied oder nicht), so wird ein modifiziertes Verfahren durchgeführt, das unter Pkt. 5 näher beschrieben ist.
3.2. Vorverfahren
3.2.1. Die Schiedskommission unterrichtet den Beschuldigten von den wesentlichen Punkten der Beschwerde und fordert ihn zu einer schriftlichen Stellungnahme auf. Die Kommission erhebt zugleich die von ihm als nötig erachteten Beweismittel, wo immer möglich in schriftlicher Form. Mündliche Einvernahmen sind von mindestens zwei Kommissionsmitgliedern gemeinsam durchzuführen und schriftlich zu protokollieren. Dem fraglich Geschädigten kann auf Wunsch ein Beistand aus dem Kreis der Vereinsmitglieder zur Seite gestellt werden, der vorher mit ihm Kontakt aufnimmt und ihn bei der Einvernahme begleitet. Die Kommission sorgt für eine zügige Durchführung des Verfahrens.
3.2.2. Einstellung:
Kommt die Schiedskommission dabei zu der Überzeugung, dass die Beschwerde unbegründet ist, so beschließt sie die Einstellung des Verfahrens und teilt dies den Beteiligten in begründeter Form mit. Wenn der Beschuldigte dies wünscht, werden die Vereinsmitglieder von der Einstellung unterrichtet.
3.2.3. Nimmt der Beschuldigte trotz angemessener Fristsetzung zu der Beschwerde nicht Stellung, so beantragt die Kommission den Vereinsausschluss. Das weitere Verfahren richtet sich nach Ziff. 4.1.
3.2.4. Entzieht sich der Beschuldigte dem Ethikverfahren durch Vereinsaustritt, so sind die Mitglieder sowohl vom Austritt (mit Namensnennung) als auch von der Tatsache zu unterrichten, dass gegen den Betreffenden ein durch den Austritt beendetes Ethikverfahren im Gange war.
3.3. Mündliche Verhandlung
3.3.1. In anderen als den in Ziff. 3.2.2, 3.2.3 und 3.2.4 genannten Fällen wird eine mündliche Anhörung des Beschuldigten vor der Schiedskommission durchgeführt. Dem Beschuldigten werden zur Vorbereitung Kopien der Beweismittel überstellt und eine ausreichende Vorbereitungsfrist eingeräumt.
3.3.2. Vertrauensperson:
Der Beschuldigte ist berechtigt (aber nicht verpflichtet), ein Vereinsmitglied seines Vertrauens zu benennen und sich von diesem bei der mündlichen Verhandlung begleiten zu lassen.
Die Vertrauensperson ist bei der mündlichen Verhandlung und bei allen folgenden Kommissionssitzungen als Teilnehmer zugelassen. Sie hat dort volles Rede-, aber kein Stimmrecht.
3.3.3. Die Verhandlung ist nicht öffentlich.
3.3.4. Erscheint der Beschuldigte trotz ausreichender Fristsetzung unentschuldigt nicht zur Verhandlung, so beantragt die Kommission den Vereinsausschluss . Das weitere Verfahren richtet sich nach Ziff. 4.1.
3.3.5. Ist die Schiedskommission nach Abschluss der Verhandlung überzeugt, dass die Beschwerde unbegründet ist, findet Ziff. 3.2.2 Anwendung.
3.3.5.1. Nachbeweiserhebung:
Kommt die Schiedskommission zu der Überzeugung, dass die Erhebung weiterer Beweismittel zu einer verlässlichen Sachverhaltseinschätzung unumgänglich ist, so ist die Wiederaufnahme des Vorverfahrens mit anschließender erneuter mündlicher Verhandlung zulässig. Im Interesse einer zügigen Verfahrensabwicklung darf die Kommission von dieser "Nachbeweiserhebung" im Rahmen eines Ethikverfahrens nur einmal Gebrauch machen. Der Wiedereintritt ins Vorverfahren muss spätestens zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung von der Ethikkommission beschlossen und dem Beschuldigten unverzüglich mit Begründung mitgeteilt werden.
3.3.5.2. Auch der Beschuldigte hat das Recht, innerhalb von zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung (nach Ziff. 3.3.1 und/oder 3.3.5) unter Vorlage neuer Beweismittel eine erneute mündliche Verhandlung zu verlangen. Dieses Gesuch kann die Schiedskommission dann zurückweisen, wenn die neuen Beweismittel offensichtlich unerheblich sind.
3.3.5.3. Die in den Ziffern 3.3.5.1. und 3.3.5.2. genannte Frist kann von der Kommission verlängert werden, wenn schwerwiegende Gründe dafür vorliegen.
3.3.6. Einvernehmliche Lösung:
Wenn die mündliche Verhandlung und ggf. die Nachverhandlung(en) nach Ziff. 3.3.5.1 und/oder Ziff. 3.3.5.2 beendet sind, und keiner der Fälle nach Ziff. 3.3.4 und 3.3.5 vorliegt, so trifft sich die Schiedskommission nach frühestens drei Wochen erneut zur Beratung. Danach beschließt die Kommission im Einvernehmen mit dem Beschuldigten geeignete Auflagen, die (soweit möglich) der Wiedergutmachung des angerichteten Schadens, dem Schutz weiterer Patienten/Analysanden und der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Beschuldigten dienen sollen.
3.3.6.1. Bestandteil der einvernehmlichen Lösung ist darüber hinaus die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Mitgliederversammlung über das Ergebnis informiert werden soll.
3.3.6.2. Mögliche Auflagen sind:
Verwarnung; Wiedergutmachung gegenüber dem Geschädigten (z. B. Entschuldigung und/oder klärende Aussprache in Gegenwart eines moderierenden Dritten und/oder materieller Schadensersatz); eine Supervisionsauflage; eine erneute Lehranalyse; die Enthebung von Ämtern, Lehr- und Ausbildungsfunktionen; das Ruhen der Mitgliedschaft. Es können mehrere Maßnahmen zugleich vereinbart werden.
3.3.7. Kommt eine einvernehmliche Lösung nicht zustande oder verbietet sie sich wegen der Schwere der Verfehlung, so legt die Schiedskommission die Angelegenheit der Mitgliederversammlung zur Entscheidung vor, indem sie dort die ihr notwendig erscheinende(n) Auflage(n) oder gegebenenfalls den Vereinsausschluss beantragt. Die möglichen Auflagen sind in Ziff. 3.3.7.2. genannt.
3.3.7.1. Einhaltung der Auflagen:
Werden einvernehmliche Auflagen vereinbart, so wacht die Schiedskommission über deren Einhaltung.
Wenn der Beschuldigte trotz schriftlicher Mahnung deutlich gegen die vereinbarten Auflagen verstößt, so beantragt die Kommission den Vereinsausschluss nach Ziff. 4.1.
3.3.7.2. Tritt der Beschuldigte aus dem Verein aus, noch ehe die Auflagen im Wesentlichen erfüllt sind, so sind die Mitglieder vom Vereinsaustritt (mit Namensnennung), der Tatsache, dass ein Ethikverfahren stattgefunden hat (mit knapper Darstellung des Ergebnisses) und der Nichterfüllung der Auflagen zu unterrichten, und zwar auch dann, wenn auf eine Unterrichtung der Mitglieder zunächst einvernehmlich verzichtet worden ist (s. Ziff. 3.2.4).
4. Entscheidung durch die Mitgliederversammlung
4.1. Beantragt die Schiedskommission die Entscheidung durch die Mitgliederversammlung (insbes. auch den Vereinsausschluss), so ist der Antrag in der Tagesordnung der Mitgliederversammlung mit Namensnennung anzukündigen. Die Gründe für den Antrag sind von der Kommission schriftlich zusammenzufassen und den Mitgliedern auf der Versammlung auszuhändigen.
4.2. Die Mitglieder haben sämtliche Informationen vertraulich zu behandeln. Kommt es zu einem Vereinsausschluss des Beschuldigten, sind die Mitglieder hinsichtlich der Mitteilung des Namens des Beschuldigten, der Tatsache des Ausschlusses und der offiziellen Ausschlussgründe von der Schweigepflicht befreit. Beschließt die Mitgliederversammlung andere Auflagen, so sind der Name des Beschuldigten, die Auflagen und die Gründe dafür nur dann von der Schweigepflicht befreit, wenn dies im Beschluss ausdrücklich festgelegt wird.
5. Schweigepflicht
Sämtliche Beteiligten (außer dem Beschuldigten) unterliegen bezüglich des gesamten Verfahrens ( Namen, Tatsachen, Äußerungen, Abstimmungsergebnisse) der Schweigepflicht. Die Schweigepflicht ist nur da aufgehoben, wo im Text ausdrücklich vermerkt.
Von der Schweigepflicht ausgenommen ist der Vorstand bezüglich der Tatsachen, die auf Grund besonderer Umstände übergeordneten Institutionen (Staatsanwaltschaft, Kammer, DGAP, DGPT) mitzuteilen sind.
6. Aus- und Weiterbildungsteilnehmer:
6.1. Ist der Beschuldigte Aus-oder Weiterbildungsteilnehmer, so gelten die Ziffern 1 bis 3 mit allen Unterpunkten entsprechend, wobei sich etwaige einstweilige Maßnahmen (s. Ziff. 3.1.4) und einvernehmlich vereinbarte Auflagen (s. Ziff. 3.3.7) auch auf den Status als Aus- bzw. Weiterbildungsteilnehmer beziehen können.
6.1.1. Die für die Aus- bzw. Weiterbildung verantwortlichen Vorstandsmitglieder und die nach der Ausbildungsordnung zuständigen Gremien (z.B. Ausbildungs- bzw. Ambulanzleiter, APA) werden sowohl über etwaige einstweilige Maßnahmen (s. Ziff. 3.1.4) als auch in jedem Fall über das Endergebnis des Ethikverfahrens informiert.
In sehr schwerwiegenden Fällen (z.B. bei Gefährdung der Ausbildung oder wenn Ausbildungsfälle betroffen sind) sollte das Vorgehen in Zusammenarbeit mit den laut Ausbildungsordnung zuständigen Gremien erfolgen, wobei die Eigenständigkeit der Schiedskommission – auch zum Schutz des Beschuldigten – so weit wie möglich erhalten bleiben sollte.
6.1.2. Tritt der beschuldigte Weiterbildungsteilnehmer aus der Ausbildung aus, ohne die Auflagen erfüllt zu haben, entscheidet der Vorstand in Absprache mit der Schiedskommission über weiteres Vorgehen (z.B. Unterrichtung von Kammer, KV, Mitgliederversammlung etc.).
6.1.3. Schlägt die Schiedskommission die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses vor, ist der Vorstand nach Prüfung der Sachlage für die Abwicklung der Beendigung des Vertrages zuständig. Sollte sich der Vorstand dem Vorschlag der Kommission nicht anschließen, kann die Schiedskommission diese Frage der Mitgliederversammlung zur Entscheidung vorlegen.
6.2. Ist der Beschuldigte Aus- oder Weiterbildungsteilnehmer außerordentliches Vereinsmitglied des C. G. Jung-Institutes München, so kommt über die Ziffer 5. hinaus auch die Ziffer 4 mit allen Unterpunkten zur Anwendung.
Download der Ethikleitlinien als PDF-Datei